Weine richtig sammeln
Das Zusammenspiel von Verbrauch und Alterungsfähigkeit lassen viele Weinfreunde am Anfang ausser acht. Sie kaufen relativ unbekümmert und planlos, meistens auch zu viel von der augenblicklichen Lieblingssorte und sitzen unversehens auf einem Bestand, in dem gar nichts zueinander passt.
Die Rechnung ist scheinbar ganz einfach: Täglich eine Flasche abzüglich Urlaub, Krankheit, Dienstreisen und aushäusiges Weintrinken plus einige Flaschen für Einladungen ergibt im Jahr einen Verbrauch von knapp 250 Flaschen.
Weil sich unser Weinkeller aber nicht nur über die Zahl der geköpften Flaschen definieren soll, sondern auch über Weintyp, Qualität und Preis, die Auswirkungen auf das Alterungspotential eines Weins haben und damit auf den Reife- und Trinkzeitpunkt, muss die Rechnung etwas differenzierter angelegt werden, wenn der Keller nicht schon nach dem ersten Jahr aus dem Takt geraten und zur angstschweisstreibenden Zitterpartie werden soll ob der ständigen Frage, welche Weine schon überreif und verdorben sind und wieviele der restlichen unter Beibehaltung der bisherigen Trinkgewohnheiten das gleiche Schicksal erleiden werden.
Als der legendäre Foodkritiker der New York Times, Craig Claiborne, vor einigen Jahren starb, interessierten sich alle Gourmets und Weintrinker Amerikas für die Hinterlassenschaften aus seinem berühmten Keller. Das Erstaunen war gross, als sich herausstellte, dass der Mann ganz konsequent vorausgeplant und seinen Weinbestand auf ein bestimmtes Lebensjahr ausgerichtet hatte: Bis auf wenige Flaschen war der Keller leergetrunken.
Die folgenden Zahlen und Weintypen sind hilfsweise Annahmen von Trinkgewohnheiten und Vorlieben und beziehen sich auf einen allgemeinen Beispielkeller. Sie stellen keine Empfehlungen dar, weder hinsichtlich der Mengen noch der Zusammensetzung des Bestandes.
Folgt man der Faustregel, die unter Weinfachleuten für die Bestandesermittlung benutzt wird, dann ergibt der Jahresverbrauch multipliziert mit der idealen Lagerzeit in Jahren den optimalen Kellerbestand. Dieser bleibt konstant, wenn jeweils die verbrauchte Menge nachgekauft wird. Die Beispiel-Rechnung für die Ermittlung der Anzahl der Flaschen und Struktur des Bestandes für den eigenen Weinkeller könnte dann, gegliedert in vier Wein- und Preiskategorien, so aussehen:
1. Rote und weisse Alltagsweine einfacherer Statur und idealer Lagerzeit von 1-2 Jahren (im Preissegment bis maximal 10 Euro): Ergibt bei einem monatlichen Verbrauch von 8 Flaschen einen Jahresverbrauch von 96, bzw. einen optimalen Kellerbestand von 144 (10 x 12 x 1.5) Flaschen.
2. Rote und weisse Weine höherer Qualität mit einer idealen Lagerzeit von 2-5 Jahren (Preissegment bis etwa 25 Euro) : Ergibt bei monatlich 7 Flaschen einen Jahresverbrauch von 84, bzw. einen optimalen Bestand von 336 Flaschen (8 x 12 x 4).
3. Rote und weisse Weine hoher Qualität mit einer idealen Lagerzeit von 5-10 Jahren (Preissegment bis 50-80 Euro): Bei einem monatlichen Verzehr von 3 Flaschen sind das 36 Flaschen im Jahr, der optimale Lagerbestand beträgt 3 x 12 x 7.5 = 270 Flaschen.
4. Schliesslich die Stars und Weine für besondere Gelegenheiten mit einer idealen Lagerzeit von 10 Jahren und mehr (Preise um und leider auch deutlich über 100 Euro pro Flasche). Werden aus dieser Kategorie jährlich 12 Flaschen getrunken, beläuft sich der optimale Lagerbestand auf 180 Flaschen (12 x 15).
Der Jahresverbrauch in diesem Rechenbeispiel beträgt 228 Flaschen. Der optimale Kellerbestand ergibt 930 Flaschen.
Gerechnet in derzeitigen Ankaufspreisen müssten für einen Bestand mit dieser Konfiguration bereits gut stolze 30.000 Euro hingelegt werden. Wenn der glückliche Weinfreund dann seinen jährlichen Verbrauch nachkauft, was ihn jeweils rund 4.500 Euro kosten würde, ist sein Keller allerdings stets gut gefüllt und hat ohne weitere Zukäufe bei den Spitzenweinen immerhin eine „Reichweite“ von 15 Jahren.
Es gibt Weinfreunde, die mit rechnerischen vier Flaschen pro Kalenderwoche nicht hinkommen werden. Wer sieben mal in der Woche zum Korkenzieher greift, hat bei gleicher Struktur einen Anfangsfinanzbedarf von mehr als 60.000 Euro, braucht eine jährliches Erneuerungsbudget von knapp 8.000 Euro und einen optimalen Lagerraum für etwa 1700 Flaschen.
Mehr Wein können zwei Erwachsene mit normalem Freundeskreis nur mit Verlusten bewältigen. Anders stellt sich die Sache dar, wenn im Bereich der hochwertigen Gewächse ein Stock angelegt wird, der gegen andere Raritäten getauscht oder auf Auktionen verkauft werden soll. Diese Weine sind nur mit den allerbesten Lagerbedingungen zufrieden und wollen ständig gehegt und gepflegt werden.
© winedine.de