Kleines Einmaleins des Schaumweins.
Viele sagen Sekt, wenn sie Champagner meinen und umgekehrt. Sie vergleichen Crémant mit Prosecco und wundern sich, warum der Winzersekt besser schmeckt als der Champagner von den Discountern mit den vier Buchstaben.
Lesen Sie hier, was Sie über Schaumwein wissen sollten.
312 Millionen Liter (entspricht 416 Mio. Flaschen) schäumende Weine werden jährlich in der Bundesrepublik getrunken, darunter 12 Millionen FlaschenChampagner. Mit 4,4 Litern Schäumendem auf durchschnittliche 20 Liter Wein und 113 Liter Bier liegt Deutschland zumindest beim Schaumweintrinken ganz vorne.
Schaumwein und Feste sind in Deutschland eine feste Einheit. Kein Mousseux ohne ein Fest oder zumindest einen gebührenden Anlass: die Pause in der Opernpremiere, Beförderung, Arbeitsjubiläum, Geburtstag, Verlobung und Goldene Hochzeit. Oder ein schummriges Separée mit kleingedruckten Preisen.
Dazwischen scheint es in Deutschland kaum Möglichkeiten zu geben, an denen Schaumwein getrunken werden kann oder man bringt Schaumwein nicht damit in Beziehung. Dabei ist das Angebot an Schaumweinen inzwischen breiter und tiefer, als es Anlässe zum Trinken geben kann: Cava, Crémant, Spumante, Moscato, Lambrusco, Franciacorta, Prosecco, Sparkling Wine, Winzersekt, Sekt und natürlich Champagner.
Keine Nation, keine Gegend mit ernstzunehmender Weinproduktion, die nicht auch Weine herstellt, die dank Kohlendioxid oder Kohlensäure perlen, moussieren, schäumen. Die Varianten an Schaumwein sind mittlerweile fast so zahlreich wie das Angebot an Stillweinen. 34 Herkunftsländer verzeichnet die Einfuhrstatistik und einige Länder der Neuen Welt haben damit gerade erst angefangen. Viel zu schade deshalb, den Genuss von Prizzelwein auf Aperitif und Bürofete zu beschränken. Moussierende Weine können staubtrocken sein, von aggressiv prickelnder Säure, stahlig-herb und mit markantem Körper. Andere sind leicht, luftig, von feiner Süße und haben cremig-sanfte, kleine Bläschen, andere wuchtig und schwer und haben vielleicht schon eine leicht oxydative Altersnote, die als sogenannter Firn ihre Liebhaber hat.
Dieser Sortenvielfalt begegnet man allerdings nicht im Regal mit den Flaschen zwischen 1.99 und 4.99 Euro. Das Geld für drei Schachteln Zigaretten muß schon angelegt werden, wenn der Schaumwein Dimensionen haben soll, die zu schmecken und zu spüren sind u n d auch noch Trinkvergnügen bereiten.
Es sind keineswegs nur weiße Trauben, die zu Schaumweinen verarbeitet werden. Ganz im Gegenteil: Viele Schaumweine verdanken Stilistik, Fülle und ihren Aromenreichtum dem weißen Saft roter Traubensorten. Für Rosées bleiben diese bei der einsetzenden Vergärung gerade solange mit den Beerenhäuten zusammen, bis sich daraus die ersten Farbstoffe gelöst haben.
Während Engländer fragen, wann sie einen Wein trinken können, wollen Deutsche als erstes wissen, wie lange sie ihn lagern können: Da Schaumweine grundsätzlich trinkfertig sind, wenn sie auf den Markt kommen, gilt als Faustregel: Weine, deren Etikett keine Auskunft gibt über Traubensorten, Herkunftsgebiet, Jahrgang bzw. deren gesetzliche Definition dazu wenig oder nichts vorschreibt, sollten innerhalb eines Jahres getrunken werden. Also Markensekte, Crémants, Cavas, Spumante, Proseccho, Moscato.
Rund zwei Jahre Lagerzeit vertragen Winzersekte, Champagner ohne Jahrgang, Franciacortas und Talentos, die Herkunfts- und Kontrollbezeichnungen wie AOC, DOC oder DOCG auf dem Etikett tragen dürfen. Prestigeprodukte mit Jahrgang, die nur in besonders guten Jahren hergestellt werden und deshalb sehr stabil sind, können auch fünf Jahre liegen. Magnumflaschen ohne weiteres die doppelte Anzahl von Jahren, sofern es kühl und dunkel ist und die Temperatur in dieser Zeit gleichbleibend.
Schaumwein ist der Oberbegriff für alle Weine, die gelöstes Kohlenmdioxyd, CO2, enthalten, Kohlensäure in der Umgangssprache. Vins mousseux lautet der Oberbegriff auf französisch, was die Sache besser trifft (mousse = Moos), denn es geht nicht um Schaum, sondern um Bläschen oder Perlen. Je feiner, dichter und langanhaltender, desto besser. Vini Spumante werden diese Weine in Italien genannt, Vino espumoso in Spanien, Sparkling Wines im englischen Sprachgebiet. Die Bläschchen kommen dabei auf unterschiedliche Arten in die Flasche und die gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich Ausgangsmaterial, Lagerung und Deklarierung auf dem Etikett sind von Land zu Land verschieden.
Der bekannteste Schaumwein ist der Champagner. Nur der Schaumwein aus dem exakt definierten Gebiet um die Städte Reims und Epernay darf sich Champagner nennen. Gleichzeitig ist vorgeschrieben, dass nur Trauben einer oder aller drei Sorten aus diesem Gebiet verwendet werden dürfen und dass die zweite Gärung, die mit der Fülldosage (Wein, Zucker, Hefe) ausgelöst wird, ausschliesslich als Flaschengärung erfolgen darf. Schaumweine müssen – je nach Gebiet – zwischen mindestens 9 und 36 Monaten lagern, bevor die abgestorbene Hefe, nachdem sie von Hand oder mit der automatischen Gyropalette sanft in die Flaschenspitze gerüttelt wurde, durch den Überdruck in der Flasche ausgestossen, degorgiert, wird. Der fehlende Wein wird mit der Versanddosage (Wein, Zuckerlikör und Hausgeheimnis) aufgefüllt. Je nach Land, wo der Sekt oder Champagner hingeht, ist diese mehr oder weniger süss: Zuckergehalt g/l: Zero,brut nature: -2/extra brut: -6/brut: -15/sec: -35/demi sec: -50, mild: über 50/Krimsekt: 80
Alle andern Schaumweine in Frankreich heissen Crémant (de Loire, de Bourgogne, d’Alsace) oder Vins mousseux. Crémant wird auch in Luxemburg verwendet und darf auch in Deutschland gebraucht werden. Schaumweine, die ausserhalb der Champagne in der aufwendigen und teureren Flaschengärung gemacht werden, führen den Zusatz Méthode classique, Metodo classico oder Méthode traditionelle. Die Schaumweinproduzenten auch in andern Ländern verwendeten verständlicherweise lieber die Bezeichnung Méthode champenoise, weil sie sich davon etwas verkaufsfördernden Glanz erhofften, bis diese 1995 – zumindest in der EU – verboten wurde.
Einfacher, billiger und deshalb verbreiteter ist die Schaumweinherstellung mit der Tank- oder Grossraumgärung nach ihrem Erfinder Charmat. Hier wird erst auf Flaschen abgefüllt, wenn die Cuvée, die Mischung aus den verschiedenen Grundweinen, nach 90 Tagen von der Hefe befreit bzw. filtriert wurde. Die meisten Sekte entstehen nach diesem Verfahren, ebenso viele Crémants, Lambrusco oder Spumante aus Italien. Auch die Cavas und die Spumante aus der Franciacorta und dem Trentino und vor allem die Winzersekte in Deutschland und die Cap Classique in Südafrika entstehen mit Flaschengärung, was immer durch entsprechenden Zusatz deutlich gemacht wird: Flaschengärung, Méthode classique, fermented in this bottle, metodo classico oder Franciacorta, der Bezeichnung für italienische Spumante nach klassicher Art aus Chardonnay und/oder Pinot noir. Wird ein Verfahren dazwischen angewendet, die Transvasiermethode, gären die Weine zwar in der Flasche, werden aber zwischendurch im Tank gemischt und gefiltert.
Daneben gibt es schäumende Weine, die in nur einer, der ersten Gärung, in der Méthode rurale, erzeugt werden. Weil sie weniger als 3 bar Überdruck aufweisen, dürfen sie sich weder Schaumwein noch Sekt oder Crémant nennen, sondern heissen Frizzante, Perlwein oder in Frankreich Vin pétillant. Zu dieser Gruppe gehören der Moscato aus dem Piemont und der Prosecco Frizzante oder der süssere Cartizze aus dem norditalienischen Veneto, den man hierzulande leider fast nur als billiges Bürofetengetränk kennt. Nicht weiter erwähnenswert sind die imprägnierten Schaumweine. Hier werden Stillweine oft zweifelhafter Herkunft lediglich mit etwas Kohlensäure aufgepeppt.
Werden beim Winzersekt, beim Lagensekt oder beim Jahrganssekt (Millésimé in Frankreich, Vintage im englischen) aus besonderen Anbaugebieten vorwiegend Rieslingtrauben verwendet, so sind es beim Champagner reinsortig oder in Cuvées gemischt verwendete Chardonnay, Pinot noir und Pinot meunierTrauben. Ein Blanc de blancs ist ein Weisswein aus weissen Trauben, ein Blanc de Noirs ein Schaumwein aus nur Roten Trauben, z.B. einen reinsortigen Pinot noir. Beim Sekt, auch wenn er rechtmässig als Deutscher Sekt deklariert wird, dürfen bis zu 100% Grundweine jeder Art aus der gesamten EU und aus Rumänien verwendet werden.
Der Name Sekt kommt übrigens vom englischen Sack, wo er für einen ursprünglich trockenen Wein, vino seco, aus Spanien verwendet wurde und geht zurück auf das lateinische siccus, trocken. Kam um 1640 als Seck nach Berlin, wo es angeblich im November 1852 in der Gaststätte Lutter und Wegener zum erstenmal falsch verwendet wurde: Statt nach dem allabendlich gewohnten Champagner rief Schaupieler Ludwig Devrient, offenbar noch: „Bring mir Sekt, Bube – ist keine Tugend mehr auf Erden“. Der Kellner brachte den gleichen Schauwein wie immer, Champagner.
Regeln für Schaumweintrinker: Kühl lagern und servieren mit 6-9°, Tulpengläser, keine Schalen, keine Reste von Spülmitteln, Eis nur im Kühler, niemals im Glas, Flasche beim Öffnen schräg halten, Korken mit sanftem Plopp rausdrehen (sog. Engelsfurz), nicht mit dem Quirl die Bläschen auflösen – es hat genug Mühe gekostet, sie hinein zu bringen, innerhalb eines Jahres trinken, nur Jahrgangsweine lagern.