Vita

Christian Wenger (Jahrgang 47) lebt in der Alta Langa im Piemont, wo er eigenen Wein anbaut und in Hamburg. Er schrieb viele Jahre über Wein für die Financial Times, Stern, Feinschmecker, Alles über Wein u.a. Parallel betrieb er das W+P Büro für Kommunikation, Hamburg, spezialisiert auf ganzheitliche Corporate Identity, Strategien, Konzepte, Projekte für Unternehmen, Medien und Märkte. U. a. für Schweizer Rück, Deutsche Börse, Fraunhofer Gesellschaft. Davor Studium der Germanistik und Soziologie, Redakteur bei DIE ZEIT und ZEITMagazin, Vorstandsassistent und Objektmanager bei Gruner+Jahr, Verlagsleiter und Geschäftsführer bei WIRTSCHAFTSWOCHE, Düssseldorf, MANAGER MAGAZIN und DER SPIEGEL, Hamburg.

Christian Wenger, Studies of Literature and Sociology, is Wine Writer for „Stern”, „Financial Times”, „Süddeutsche Zeitung”,”Der Feinschmecker” and „winedine.de” Member of FIJEV International Federation of Wine and Spirits Writers, Slow Food. Christian lives in Piemonte and Hamburg and loves Nebbiolo and all good sparklings.

WINEDINE

Christian Wenger über Weine, Weinproduzenten, Restaurants & Hotels und Kulinarisches

Grossproduzent mit Highlights

1. Februar 2022, 20:32 Uhr

Das Weinhaus Ruffino wurde 1877 in Pontassieve, im Gebiet des heutigen Chianti Rufina, von den Cousins Leopoldo und Illario Ruffino gegründet. Sie waren erfolgreich und verkauften ihre Weine an eine illustre Kundschaft, darunter der Herzog von Aosta und Guiseppe Verdi. Sie lieferten angeblich auch den ersten Chianti in der berühmt-berüchtigten bastumwobenen Fiasko-Flasche nach Amerika. 1947 brachten sie erstmals den Riserva Ducale d’Oro auf den Markt, der heute nur in exzellenten Jahren als Gran Selezione gemacht wird. Drei Jahre später folgte ein Rosatello in auffälligen tropfenförmigen Flaschen, der offensichtlich ideal dem damaligen Zeitgeist und Lifestyle entsprach. 1974 verabschiedete man sich von der Bastflasche und verkaufte fortan alle Chiantis in einer neuen Florentiner-Flasche. 2010 kam mit Modus IGT der erste Supertuscan auf den Markt, bestehend aus Sangiovese, Merlot und Cabernet Sauvignon. Gerade vorgestellt wurde der 2018er, von dem es 14.000 Flaschen geben wird. Ein Jahr später Alauda IGT, der mit einer Komposition aus Cabernet Franc, Merlot und Colorino und einer doppelt so langen Barrique-Ausbauzeit etwas schwergewichtiger und zum dreifachen Preis daherkommt.

Mangels Nachkommen der Ruffinos übernahm die Familie Folonari aus Brescia 1913 das aus mehreren Weingütern mit über 700 ha bestehende Unternehmen. Die eine Zweig der Familie verkaufte 2011 an den amerikanischen Getränkeriesen Constellation Brands 40%. 2012 erwarb dieser die restlichen 60% mit den sechs Weingütern und Marken Poggio Casciano, Montemasso, Santedame, Gretole, Greppone Mazzi and La Solatia und seit 2017 auch zwei Weingüter im Prosecco-Gebiet. Der andere Familienzweig mit Ambrogio und Sohn Giovanni an der Spitze sicherte sich die Weingüter Tenuta del Cabreo (Greve), Campo al Mare (Bolgheri), Tenuta La Fuga (Montalcino), Tenuta di Nozzole (Greve), Torcalvano (Montepulciano) und Vigne a Porrona in Cinigiano (Maremma) mit denen sie heute noch erfolgreich aktiv sind: Die ursprünglich 230 ha sind inzwischen angewachsen auf 350. Neffe Guido Folonari baute 2001 sein eigenes Weinunternehmen auf, das auf die drei B’s setzte: Bolgheri (Donna Olimpia), Brunello (Tenuta San Guido) und Barolo (Tenuta Illuminata). Die Tenuta San Guido wurde allerdings 2016 an ColleMassari verkauft.

Ruffino produziert derzeit 40 Weinmarken auf acht Weingütern mit 612 Hektaren und einigen zugekauften Trauben insgesamt 26 Millionen Flaschen Wein, etwas Grappa, Vermouth und Olivenöl. Das führt zu einem Umsatz von 106 Mio. Euro, der von 290 Mitarbeitern erwirtschaftet wird. Der durchschnittliche Erlös von knapp vier Euro pro verkaufter Flasche deutet darauf hin, dass der grössere Teil der 40 Weinmarken auf das einfachere Käufersegment abzielt. Auf Rückfrage bestätigt Ruffino, dass die unter „Icons” zusammengefassten sechs Gutsabfüllungen und Marken (Riserva Ducale, Riserva Ducale Oro, Romitorio di Santedame, Modus, Alauda, Greppone Mazzi) insgesamt nur 9% des Gesamtumsatzes ausmachen, der zu 58% von den Prosecco-Marken im Veneto dominiert wird. An den 26 Mio. Flaschen dürften die sechs Icons nur im knapp einstelligen Prozentbereich beteiligt sein. Die gesamte Weinproduktion wird geleitet und geführt von Gabriele Tacconi, der dem Unternehmen schon zu Folonaris Zeiten gedient hat und mittlerweile 26 Jahre angehört. Täglich ist er auf Tour in sämtlichen Weingütern und verfolgt die Entwicklung der Weine.

Nach amerikanischem Vorbild pflegt Ruffino eine betonte Kunden- und Gastfreundschaft: Freundlicher Empfang, begleitende Weinambassadoren, eigene Restaurants und stilvolles Gästehaus auf der Tenuta Montemasso nahe bei Florenz. Auf 174 Seiten des aktuellen Sustainability-Reports wird ausführlich über die zahlreichen Aktivitäten und Vorkehrungen im Sinne der Nachhaltigkeit, Personalförderung, Energieverbrauch etc. berichtet. Ruffino gibt sich mustergültig.

Liegt Ruffino mit einem Umsatz von 106 Mio. Euro bei den italienischen Weinunternehmen auf einem deutlichen zweistelligen Rangplatz, liegt Constellation Brands mit einem Weinumsatz von 2.3 Milliarden auf Platz zwei der umsatzstärksten Weinunternehmen der Welt. Unangefochten an der Spitze die Ernest&Julio Gallo Winery mit 4.5 Milliarden. Durch den Aufkauf des schwächelnden Imperiums von Robert Mondavi kamen sie 2004 auch zu Woodbridge, Robert Monavi und einem 50% Anteil an Opus One. 2017 aquirierten sie Schrader Cellars mit dem berühmten To Kalon-Cabernet. Zahlreiche Kellereien, Whiskymarken und andere Getränke gehören mittlerweile zum Portfolio. Die neueste Meldung berichtet von einer Markenzulassungsvereinbarung mit Coca Cola für die Produktion von Fresca Mixed, einer Linie mit trinkfertigen Cocktails auf Spirituosenbasis ”mit vollem Geschmack„. Constellation soll die Getränke herstellen, vermarkten und vertreiben. Bleibt abzuwarten, ob die italienische Tochter hier auch tätig werden muss.