Vita

Christian Wenger (Jahrgang 47) lebt in der Alta Langa im Piemont, wo er eigenen Wein anbaut und in Hamburg. Er schrieb viele Jahre über Wein für die Financial Times, Stern, Feinschmecker, Alles über Wein u.a. Parallel betrieb er das W+P Büro für Kommunikation, Hamburg, spezialisiert auf ganzheitliche Corporate Identity, Strategien, Konzepte, Projekte für Unternehmen, Medien und Märkte. U. a. für Schweizer Rück, Deutsche Börse, Fraunhofer Gesellschaft. Davor Studium der Germanistik und Soziologie, Redakteur bei DIE ZEIT und ZEITMagazin, Vorstandsassistent und Objektmanager bei Gruner+Jahr, Verlagsleiter und Geschäftsführer bei WIRTSCHAFTSWOCHE, Düssseldorf, MANAGER MAGAZIN und DER SPIEGEL, Hamburg.

Christian Wenger, Studies of Literature and Sociology, is Wine Writer for „Stern”, „Financial Times”, „Süddeutsche Zeitung”,”Der Feinschmecker” and „winedine.de” Member of FIJEV International Federation of Wine and Spirits Writers, Slow Food. Christian lives in Piemonte and Hamburg and loves Nebbiolo and all good sparklings.

WINEDINE

Christian Wenger über Weine, Weinproduzenten, Restaurants & Hotels und Kulinarisches

AltaLanga – Der Schaumwein Metodo classico des Piemont

22. Mai 2023, 10:06 Uhr

AltaLanga
Der Schaumwein Metodo classico des Piemont
Die 140 Weine der inzwischen 60 Alta Langa-Produzenten hinterliessen bei der Prima dell’Alta Langa 2023 in der Reggia di Venaria bei Turin trotz majestätischer Kulisse einen zwiespältigen Eindruck. Da waren zwar ein knappes Dutzend Weine, die zu überzeugen vermochten, bei vielen andern dominierte ein mehr oder weniger intensiver Bitterton im Abgang, der auf Verarbeitungsfehler hindeutete, auf Trockenstress der Trauben oder eine Mischung aus beiden. Oder die Weine waren rustikal, mit wenig Spannung und/oder belanglos. Das ist schade, weil gerade eine aufstrebende Marke wie Alta Langa muss darauf achten sollte, dass die Weine das Gebiet, die Seele des ganz speziellen und typischen Territorriums widerspiegeln und nicht versucht wird, gerade aktuelle Moden nachzuahmen oder zu kopieren.

Viele der 60 Produzenten, die Mitglied im Consorzium sind, präsentierten dieses Jahr zum ersten mal ihre Weine. Und weil Bollicine derzeit sehr im Trend sind, werden die Weinbauern, die ihre Rot- und Weissweinweinkollektionen auch um einen Sprudel erweitern möchten, immer zahlreicher. So werden im nächsten Jahr trotz derzeitigen Absatzschwierigkeiten weitere Produzenten ihre ersten Spumante nach traditioneller Art vorstellen. 

Die Veranstaltung im Mai 2023 verdeutlichte Aspekte und Probleme der Alta Langa-Produktion und warf einige Fragen und Thesen auf: 

1. Die Herstellung eines hochwertigen Alta Langa fällt auch keinem erfolgreichen Piemonteser (Rot)-Weinmacher einfach in den Schoss. 

Bevor Erstlinge und Fingerübungen der Öffentlichkeit präsentiert werden dürfen, könnte eine Degustationsrunde über eine Zulassung entscheiden.

2. Warum viele Erstlinge sich ausgerechnet an „Dosage Zéro“ oder „non dosé“ versuchen, ist schwer zu verstehen. Spätestens von der Champagne weiss man, dass dies die Königsdisziplin ist, bei der Traubenqualität und Verarbeitung hundertprozentig stimmen müssen.

3. Wenn eine Ernte so problematische Ergebnisse zeigt, verstärkt sich die Frage, warum nicht mit Reserveweinen aus andern Jahrgängen gearbeitet werden darf, wenn es der Produktqualität dienen würde. Evtl. neben dem Jahrgang als eine weitere Alta Langa-Kategorie.

4. Nebbiolo und andere nichtaromatische Weine aus der Zone haben in einem charakteristischen und typischen Alta Langa (Pinot noir und Chardonnay) nichts zu suchen. Die erlaubten 10% sollten gestrichen werden.

5. Der Name Alta Langa wird häufig von Konsumenten, welche die Langa mit ihren berühmten Rotweinen kennen und besuchen, missverstanden bzw. gleichgesetzt mit einem Gebiet das höher liegt als die Langa. Schwer zu vermitteln, dass Alta Langa sogar aus Alba, Grinzane Cavour, Calamandrana oder gar aus Ovada kommen dürfen.

6. Warum das zuständige Consorzium den Sitz ausserhalb der Alta Langa-Zone in Asti hat, ist ein weiterer Hinweis auf die verwirrende Nicht-Kongruenz von Markenname und geografischer Bezeichnung.

7. Das Consorzium muss entschieden dafür sorgen, dass Alta Langa in den Weinguides als eigene Kategorie aufgeführt werden.

Das Consorzium Alta Langa wurde 2001 von einer Reihe von Spumante-Produzenten gegründet. Vorher hatte man auf die gesetzliche italienische Bezeichnung Talento vertraut, die für flaschenvergorene Schaumweine aus DOC-Trauben (Pinot nero, Pinot blanc, Chardonnay) und mindestens 15 monatiger Lagerung auf der Hefe erfunden worden war. Dieser Name konnte sich jedoch nie durchsetzen.

Die Gründung wurde in in der Alta Langa, in Bossolasco, auf gut 800 Metern ü.M., vollzogen. Obwohl damals die geografische Alta Langa seit Jahren klar definiert war (39 Orte, alle definiert durch ihre Meereshöhe), okkupierte man diesen Namen für insgesamt 147 Orte, in denen Alta Langa hergestellt werden darf. Nur 38 Orte sind identisch mit der geografischen Alta Langa. Das erzeugt mehr Verwirrung als Klarheit. 

Kein guter Start für eine neue Marke. Darüberhinaus wollte man einem rigorosen Statut die die anderen Flaschengärer wie die Champagne, Franciacorta, Trento und andere rechts überholen und setzte u.a. die höchste Flaschen-Lagerzeit auf der Hefe durch, 30 Monate. Auch dürfen nur Weine aus einem Jahrgang, der stets genannt werden muss, abgefüllt werden. Dafür war man bei den vorgeschriebenen Rebsorten etwas grosszügiger: bis 10% dürfen andere im Piemont heimischen, nicht aromatischen Rebsorten zugemischt werden. Ganz beiläufig wird etwas weiter unten im Disziplinar auch die Verwendung älterer Weine und umgekehrt zugestanden. (Schleierhaft wie das bei bereits abgefüllten Flaschen technisch gehen soll ?), allerdings nur bis zu 15%. 

Alta Langa erhielt 2002 die DOC und in 2011 (u.a. für den damals aktuellen Jahrgang 2008) den Status DOCG. 

Im Mai 2023 vereinigte das Consorzium 55 Hersteller mit insgesamt 115 Etiketten. Das definierte Alta Langa-Produktionsgebiet umfasst 377 ha, auf dem vom Jahrgang 2022 gut 3 Millionen Flaschen erzeugt wurden, 67% mehr als in 2021. 90% der Flaschen gehen auf den inländischen Markt, 10% ins Ausland. Die Pläne des Consorziums sehen in den nächsten Jahren eine Ausweitung der Fläche um weitere 220 ha vor, das entspräche dann rechnerisch einer Produktion von insgesamt 4,75 Millionen Flaschen.