Vita

Christian Wenger (Jahrgang 47) lebt in der Alta Langa im Piemont, wo er eigenen Wein anbaut und in Hamburg. Er schrieb viele Jahre über Wein für die Financial Times, Stern, Feinschmecker, Alles über Wein u.a. Parallel betrieb er das W+P Büro für Kommunikation, Hamburg, spezialisiert auf ganzheitliche Corporate Identity, Strategien, Konzepte, Projekte für Unternehmen, Medien und Märkte. U. a. für Schweizer Rück, Deutsche Börse, Fraunhofer Gesellschaft. Davor Studium der Germanistik und Soziologie, Redakteur bei DIE ZEIT und ZEITMagazin, Vorstandsassistent und Objektmanager bei Gruner+Jahr, Verlagsleiter und Geschäftsführer bei WIRTSCHAFTSWOCHE, Düssseldorf, MANAGER MAGAZIN und DER SPIEGEL, Hamburg.

Christian Wenger, Studies of Literature and Sociology, is Wine Writer for „Stern”, „Financial Times”, „Süddeutsche Zeitung”,”Der Feinschmecker” and „winedine.de” Member of FIJEV International Federation of Wine and Spirits Writers, Slow Food. Christian lives in Piemonte and Hamburg and loves Nebbiolo and all good sparklings.

WINEDINE

Christian Wenger über Weine, Weinproduzenten, Restaurants & Hotels und Kulinarisches

Pelaverga im dreissigsten Jahr
Die Traubensorte Pelaverga piccolo stammt aus der nördlichsten Ecke der Langa und wird ausschliesslich in Verduno angebaut. Ganze 35 Hektaren stehen unter Ertrag, bewirtschaftet von derzeit 19 Weinbauern, die daneben auch die klassischen Traubensorten der Langa und des Barolo-Gebietes anbauen und im Zweifel von diesen leben.

Die jährlich 260.000 Flaschen Pelaverga haben inzwischen zahlreiche, meist einheimische, Liebhaber. Deswegen ist der Wein auf vielen Weinkarten im Piemont häufig ausgetrunken. Im Restaurant liegt man wie beim beliebten Dolcetto unter 20 Euro.Wer sich rechtzeitig gekümmert hat, freut sich über Flaschen meiner derzeit persönlichen Favoriten: Alessandria Fratelli, Commendatore G.B. Burlotto, Castello di Verduno, Poderi Luigi Einaudi, Diego Morra und auch Arnoldo Rivera, Massara, Scarpa, Sordo und Cadia.

Verduno ist ein kleiner Ort mit 500 Einwohnern auf der letzten Hügelkuppe, bevor das Gelände zum Fluss Tanaro abfällt. Mittendrin im grossem Park das imposante Castello di Verduno, mit riesigen Suiten und Zimmern; es gehörte 1838 König Carlo von Savoyen. Von März bis Oktober kann man hier lustwandeln, dinieren und dem Wein aus der hauseigenen Cantina zusprechen. Diese pflanzte übrigens den ersten sortenreinen Pelaverga-Weinberg. In den siebziger und achtziger Jahren gehörte das Castello zusammen mit dem Bellavista in Bossolasco und dem famosen Felicin in Monforte zum führenden kulinarischen Dreigestirn der aufstrebenden Langa.

Als dem Pelaverga 1995 die DOC zugesprochen wurde (übrigens die kleinste Italiens), suchte Alessandra Buglioni Di Monale, die Küchenchefin des Real Castello di Verduno nach einem Gericht, das einerseits die traditionelle Küche der Gegend widerspiegelte und gleichzeitig zu dem frischen, jungen und leichten Wein wie dem Pelaverga passte. Sie erfand das Vitello di Verduno: Ein erstklassiges Stück von Fassone-Rind aus dem Girello (Oberschale), der Nuss oder der Hüfte wird fünf Tage in grobem Salz und gemörsertem schwarzen Pfeffer mit einem Zweig Rosamarin mariniert. Täglich massiert und abgetrocknet. Am letzten Tag von Pfeffer und Salz befreit, mit der Maschine in hauchdünne Scheiben geschnitten und mit einem Faden Olivenöl serviert. Das schlägt jede Salami und jedes Carne cruda.

Der Pelaverga ist ein eleganter, leichter Wein von meist hellroter Farbe, der sich durch einen klaren, angenehmen Geruch von roten Beeren und Früchten mit einer Note von Gewürzen und weissem Pfeffer auszeichnet. Trotz etwas Gerbsäure im Abgang ist er trinkig, saftig, unkompliziert und passt bestens als anregender Aperitif, zu Charcuterie, hellem Fleisch, Pasta und den weichen Käsesorten des Piemonts. Pelaverga kommt ausgesprochen gut mit den zwei unterschiedlichen Sedimentböden in Verduno zurecht. Der eine (St. Agatha, Tortonium) entstand in der Tiefe des von Venedig hineinragenden Arms des Mittelmeers, der vor acht Millionen Jahren die gesamte Fläche zwischen den Schweizer Alpen, den Französischen und den Italienischen Seealpen bedeckte. Er erstreckt sich westlich von Verduno Richtung La Morra. Schicht für Schicht, etwa 60% Schlick, 30% Ton und 10% Sand lagerten sich die von Kalkstein dominierten Abriebe der von den Flüssen der umliegenden Alpen ins Meer getragenen Gesteine ab, dazwischen fossile Schalen von Meeresmikroorganismen und anderem Meeresgetier. Vor rund sechs Millionen Jahren (Messinium) war das Mittelmeer beim heutigen Gibraltar vom Ozean abgeschnitten und erlebte einen intensiven Verdunstungsprozess, der den Wasserstand bis um 1500 Meter absenkte. In der Folge bildeten sich Salzlagunen, in denen sich Kreidkristalle ablagerten, der heute als natürlicher Dünger wirkt und das Wasser speichern kann. Diese Formation erstreckt sich von Verduno nach Westen bis an den Fluss Tanaro


Frühere Editorials